Das Medieninteresse zieht dabei vor allem der amerikanische Religionswissenschaftler James Tabor auf sich. In seinem Buch "Die Jesus-Dynastie" entwirft Tabor, gestützt auf archäologische Funde und historische Quellen, ein überraschendes Bild des historischen Jesus.
Zahlreiche Indizien
Vor allem rückt er dabei die Familiendynastie des Jesus von Nazareth ins Blickfeld: Jesus' Brüder gehörten demnach nicht nur zum Kreis der zwölf Jünger, sondern führten nach der Kreuzigung Jesu über Jahrzehnte die Jerusalemer christliche Gemeinde. Anhand zahlreicher Indizien verfolgt Tabor zudem den Aufstieg des historischen Jesus zum charismatischen Führer der Nazarener.
Über James D. Tabor
James D. Tabor ist Leiter des Religionswissenschaftlichen Instituts der Universität von North Carolina. Sein Buch "Die Jesus-Dynastie" basiert auf seinen langjährigen Forschungen sowie auf den neuesten archäologischen Entdeckungen in Israel und Palästina, an denen er zum großen Teil auch beteiligt war.
Die Mauern der Stadt Jerusalem überragen seit Jahrtausenden das heilige Land. Sie sind stumme Zeugen dessen, was wir die Leidensgeschichte Jesu nennen. Doch was spielte sich damals tatsächlich vor den Toren Jerusalems ab? Warum fand Jesus hier den Tod, während viele andere Heilsbringer seiner Zeit ungeschoren blieben?
Verblüffende These
James Tabor wagt - gestützt vor allem auf die Bibel - eine verblüffende These: Er sieht in der Kreuzigung Jesu den Mord an einem Thronanwärter. In "Die Jesus-Dynastie" beschreibt er Jesus als Spross einer verfolgten Königsfamilie.
"Ich denke, es ist kein Zufall, dass die Römer Jesus in dem Moment hinrichteten, als er öffentlich zum König ausgerufen wurde", erklärt Tabor. "Als Historiker meine ich, die Römer kreuzigten Jesus aus machtpolitischem Kalkül: Sie töteten ihn, weil er einen legitimen Anspruch auf den Thron Israels hatte."
»König Herodes und Pontius Pilatus konnten sich zwar auf das römische Militär stützen, aber sie galten nicht als legitime Herrscher. Anders Jesus, der durch seine Mutter Maria aus der Blutslinie König Davids abstammte. Diese königliche Herkunft machte Jesus zur Bedrohung. «
James Tabor
"Als legitimer Herrscher"
James Tabor nimmt uns mit an den Ort, an dem Pontius Pilatus über Jesus Gericht hielt. Hier, so meint er, erlangte das unscheinbare Bibelwort, Jesus stamme ab von König David, tödliches Gewicht. Denn es sei die Herkunft aus dem Geschlecht König Davids gewesen, die Jesus zum Verhängnis wurde.
"König Herodes und Pontius Pilatus konnten sich zwar auf das römische Militär stützen, aber sie galten nicht als legitime Herrscher", sagt Tabor. "Anders Jesus, der durch seine Mutter Maria aus der Blutslinie König Davids abstammte. Diese königliche Herkunft machte Jesus zur Bedrohung."
Jesus' Bruder
Aus zahlreichen historischen Dokumenten zieht James Tabor den Schluss, dass die Kreuzigung Jesu nur der Anfangspunkt einer Hetzjagd auf seine Familie war. Der jüdische Chronist Flavius Josephus etwa bezeugt 30 Jahre nach der Kreuzigung Jesu eine weitere Hinrichtung in Jerusalem. Das Opfer diesmal: Jesus' Bruder Jakobus.
Auch in der Bibel taucht Jakobus auf: als Bruder von Jesus, vor allem aber als ein Führer der Christen nach der Kreuzigung Jesu. James Tabor meint, frühes Christentum und Jesus' Familienbande waren eng miteinander verwoben: "Wir haben es wirklich mit einer Familiendynastie zu tun: Als Jesus stirbt, übernimmt sein Bruder Jakobus die Führung der Christen. Aber dann geht es weiter: Als Jakobus gesteinigt wird, folgt ihm Simon, ein weiterer Blutsverwandter von Jesus. Jesus Familie und frühes Christentum hängen so fast ein Jahrhundert lang zusammen."
Ein Knochenkasten
Auf seiner Suche nach der Familiendynastie Jesu ging James Tabor immer auch archäologischen Spuren nach. Vor sechs Jahren machte er gemeinsam mit israelischen Ausgräbern im Kidron-Tal eine erstaunliche Entdeckung: Ein Höhlengrab, das vor 2000 Jahren angelegt wurde. Im Innern der Gruft: Knochenkästen aus Ton, in denen Juden zur Zeit Jesu ihre Toten beerdigten. Doch dann die Enttäuschung: Die Gruft war schon von Antikenjägern geplündert worden.
»Wir könnten es hier immerhin mit dem ersten archäologischen Nachweis in Sachen Jesus zu tun haben - mit archäologischen Funden, die uns über Jesus' Bruder Jakobus zu Jesus' Familie führen.«
James Tabor
Wenig später aber tauchte auf dem Antikenmarkt ein Knochenkasten mit einer sensationellen Inschrift auf: "Jakobus, Sohn des Joseph, Bruder des Jesus". Bis heute streiten die Experten: Handelt es sich wirklich um die Gebeine von Jesus' Bruder? Ist die Inschrift echt? Und woher stammt der Fund?
Blasphemische Vorstellung
"Wir könnten es hier immerhin mit dem ersten archäologischen Nachweis in Sachen Jesus zu tun haben - mit archäologischen Funden, die uns über Jesus' Bruder Jakobus zu Jesus' Familie führen", so Tabor. "Das macht die Sache so aufregend. Unklar ist, woher der Knochenkasten des Jakobus stammt. Ich glaube, diese Gruft hier könnte die Antwort sein. Jakobus starb hier ganz in der Nähe. Und der Knochenkasten kam unmittelbar nach der Plünderung dieser Gruft auf den Markt."
Ob James Tabor es tatsächlich mit der Begräbnisstätte des Jakobus zu tun hat, das könnten nur weitere umfangreiche Untersuchungen klären. Für manchen eine blasphemische Vorstellung. Doch Tabors Suche kollidiert zwangsläufig mit den Lehren der Kirche.
Jesus' biologischer Vater
Die unbefleckte Empfängnis der Jungfrau Maria etwa verträgt sich schlecht mit einem Bild von Maria als mehrfache Mutter. James Tabor beruft sich hier auf den Evangelisten Markus: Der zählt in der Bibel Jakobus, Joses, Judas und Simon als Brüder Jesu auf.
Noch heikler ist die Frage, wer eigentlich Jesus' biologischer Vater gewesen ist. Wie die Bibel überliefert, war der Zimmermann Joseph zwar der Stiefvater, nicht aber Jesus leiblicher Vater.
»Als Jesus stirbt, übernimmt sein Bruder Jakobus die Führung der Christen. Aber dann geht es weiter: Als Jakobus gesteinigt wird, folgt ihm Simon, ein weiterer Blutsverwandter von Jesus. «
James Tabor
Sohn des Pantera
Tabors Suche nach Jesus Vater folgt hier erstaunlicher Weise deutschen Quellen. Im rheinhessischen Bad Kreuznach findet sich ein römischer Grabstein. Laut Inschrift wurde hier ein römischer Legionär begraben, der vor 2000 Jahren aus Palästina an den Rhein versetzt wurde. Sein Name: Pantera. Als Sohn des Pantera wird aber auch Jesus in frühen jüdischen Texten bezeichnet. Könnte also Jesus' Vater tatsächlich in Deutschland begraben liegen?
"Möglich wäre das schon", sagt James Tabor. "aber es gibt keinen Beweis. Die Indizien sind dennoch interessant: Denn dieser Pantera hatte einen jüdischen Beinamen. Und er stammte aus Sidon, also einer Stadt nur 40 Kilometer von Nazareth entfernt, wo Jesus aufgewachsen ist. Rein zeitlich und geografisch wäre es möglich."